„Der Marsianer“ ist kein Film sondern eine Verfilmung. Sie hält sich eng an die Vorlage, sie bildet den Roman im Medium des Films ab, in weniger als 3 Stunden. Das Ergebnis: Eine Überfrachtung mit Information. Es ist, als spiele man eine Klaviersonate dreimal so schnell. –
Die Informationsphilosophie der Verfilmung ließ es nicht zu, daß es Zeit zur Entfaltung gab. Alles wurde bloß angerissen und das teilweise schlecht. Sowohl die grandiosen Bilder als auch die grandiosen schauspielerischen Leistungen wurden zur Kulisse treudoofen Nacherzählens. – Warum generieren die so ein tolles Raumschiff und so tolle Landschaften und zeigen sie dann immer nur sekundenlang? Theaterprofi Goethe gibt die Antwort: „Versuche nur, sie zu verwirren, sie zu befriedigen ist schwer“.
Hollywood hat Angst vor seinen Zuschauern. Ein tolles Raumschiff länger als ein paar Sekunden ins Bild zu setzen könnte ja die Abgestumpften langweilen! Und da sie offenbar den Markt der Abgestumpften erobern wollen, setzen sie auf Reizüberflutung – und stumpfen damit alle ab… Da ist es dann auch egal, ob man dem Roman gerecht wird…
Die Veranschaulichung des „astronautischen Denkens“, wie ich es nennen möchte, die den Roman so lesenswert macht, leistet seine Verfilmung nicht.
„Astronautisches Denken“, das habe ich durch den Roman gelernt, heißt: Verzweiflung zu bewältigen durch Planhierachien des Handelns: Jemand hat keine Ahnung, wie er das Wasserproblem lösen kann, er muß davon ausgehen, daß er in einer Woche verdurstet ist, aber das kümmert ihn erstmal nicht weiter, denn wenn er das Energieproblem nicht löst, ist er in ein paar Stunden erfroren.
Astronautisches Denken heißt auch: nicht aufzugeben, bevor man nicht alles Verfügbare auf all seine Möglichkeiten untersucht hat. Der Roman ist ein Plädoyer für die Kunst zweckentfremdenden Denkens und eine Absage an Bedenkenträgerei und an die Scheindesillusioniertheit der „Das-Bringt-Doch-Nichts“-Besserwisser.
Natürlich kam das auch in der Verfilmung „irgendwie“ vor. Aber: Es kam nicht zur Geltung, es gab keine eindrucksvolle, inspirierende und ermutigende Veranschaulichung davon. Ich hatte gehofft, diesen Film meinen Suchtpatienten empfehlen zu können. Das kann ich nicht.
Welcher Unterschied zu Tarkowskys „Solaris“! Tarkowsky wollte keinen Roman verfilmen sondern einen Film machen. Er ließ sich von einem Buch inspirieren, aber er verfilmte es nicht.
Warum wehren sich die Künstler nicht gegen die Kaufleute? Ich hätte Ridley Scott mehr astronautisches Denken gewünscht!
Das Geld für die Kinokarte sollte besser in den Kauf des Buches investiert werden.
Link zum Wikipediaartikel. Die dort genannten Kritiken bewerten die Verfilmung anders. Das ist interessant. – Möglicherweise haben die Kritiker das Buch nicht gelesen.